Ich würde zum Beispiel gerne mit meinen Hunden diverses üben
Du gibst mir das Stichwort: Üben. Hier geht das, was ich unter "Arbeit" kritisiere schon los: Man braucht zur Schulung des Alltages eigentlich gar nicht zu "üben". Üben in Form von zusätzlichen Handlungen. Man macht einfach das, was man immer macht. Und solange der Hund noch nicht richtig "funktioniert", muss er in permanenter Greifweite bleiben und - je nach Umgebung - im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Halters stehen. So bekommt der Hund bei einer einfachen Tour durch die Stadt, die ich keineswegs für ihn veranstalte oder verändere, sondern die ich allein für mich selbst, zur Erledigung notwendiger Einkäufe unternehme, schon zwanzig oder mehr "Übungen" ganz automatisch vorgesetzt. Nach einigen Wochen braucht er nicht mehr die - ggf. bremsende - Hand auf dem Rücken zu spüren. Dann hält er genau am Bordstein an - auch wenn alles frei ist oder LKWs mit 60 km/h eine Handbreit vor seiner Nase vorbeirasen. Dann weiß er, dass dabei auch nicht die Vorderpfoten auf der Straße stehen sollten. Weil ich ihm eben auch die Details im Alltag vermittelte. Ganz ohne Übungsstückchen. Das Verhalten ggü Katzen brauche ich nicht explizit zu üben. Es ergeben sich genug Wiederholungen aus dem Alltag. Alles mit dem er zurechtkommen muss, liefert der Alltag.
Ich "korrigiere" meinen Hund also im Alltag, indem ich ihm einfach "sage", was ich möchte, ihn ggf. zurückrücke, zurückschubse, festhalte. Doch niemals "übe" ich durch Wiederholung einer solchen Situation - diese Wiederholung liefert mir der Alltag an der nächsten Straßenecke. Und schon gar nicht "arbeite" ich auf einem Hundeplatz - der Hundeplatz ist für mich und meine Hunde die gesamte Welt. Nach dieser Technik brauche ich mich auch nicht um Lehrtechniken zu scheren. Nicht darum, wie lange ich Wiederholen muss, bis der Hund begreift. Wieviel Zeit maximal vergehen darf, bis der Hund die Reaktion nicht mehr mit der Aktion verbindet. Nein. Ich lebe mit meinem Hund im Alltag und genau in diesen Alltag passt sich mein Hund ein, wenn ich ihn integriere und bei Bedarf - nicht vorbereitend, nicht geübt, nicht erarbeitet - ihm aufzeige, wie er sich verhalten soll. Je mehr Zeit vergeht, desto weniger muss ich korrigierend eingreifen. Nach rund einem Jahr verfüge ich über einen Hund, der sich auch im schlimmsten Stadttrubel leinenlos, teils 25 m von mir entfernt laufend, andere Wege als ich selbst benutzend, unfallfrei, verlässlich, nahezu ohne lenkende Kommandos von meiner Seite und ohne dass ich ihn im Auge behalten müsste, zusammen mit mir fortbewegt. Die Theorie, wie man sich einen solchen Hund "künstlich", also durch Vorbereitung, Übung und Arbeit erschafft, findet sich in den Bibliotheken der Ausbilder - ich brauche mit "meiner Methode" nichts zu wissen. Ich muss nur wissen, dass das genauso funktioniert, da der Hund dazu die geistigen Voraussetzungen ebenso wie die nötige Motivation mitbringt.
Okay. Auch dazu ist es hilfreich, wenn man Hundeverhalten sehr gut abschätzen kann. Wenn man fähig ist, das individuelle Verhalten eines Hundes, seine Schwächen und Stärken sehr schnell zu erfassen. Wenn man die Sprache des Hundes kennt - und sie in großen Teilen selbst einsetzt. Also ganz ohne Arbeit geht es dann auch wieder nicht.
Und die auslastende Arbeit auf Hundeseite besteht darin, dass er stets die Umweltgegebenheiten mit den von mir ausgehenden Lenkungs- und Hinweisimpulsen verrechnen muss. Dass er nicht in Kadavergehorsam und blindem Vertrauen auf mich gedankenlos durch die Lande latscht, sondern er sich eben Großteils sehr intelligent mit der Signalvielfalt aus der Umwelt auseinandersetzen, zahlreiche Entscheidungen treffen muss. Er muss ständig abstrahieren. Er wird mit Signalen überschwemmt. Muss speichern, vergleichen. Dies belastet offenbar weitaus mehr, als Schnuffelarbeit auf dem Hundeplatz oder unsinniges aber zentimetergenaues Abliegen, Absitzen und Ab-weiß-was-ich-alles beim bringen der Disc, von Balli oder Stocki. So genannte "Arbeit", mit der mancher Halter versucht, seinen Vierbeiner auszulasten.
Allein durch diese "Integrationsarbeit", die nur sehr viel Aufmerksamkeit auf Seiten des Halters erfordert, schult man sich für den gesellschaftlichen Umgang in Stadt und Land innerhalb eines Jahres, im Feinschliff nach etwa 2-3 Jahren, einen Hund mit Assistenzhund-Qualitäten durch "Nichtstun". Hunde, die so auffällig unauffällig sind, so eigeninitiativ leben und handeln können, dass man schon wieder von Leuten auf der Straße angesprochen wird, welcher Ausbilder nach welcher Methode das denn hinbekommen habe.
Servus
age