Als ich am Sonntag die ersten Ansprachen von Gerhard Schröder und Angelika Merkel zum Wahlergebnis gehört hatte, war ich überrascht. Zwei Sieger, die sich als zukünftige Kanzler präsentierten. Dann begann ich die Zahlen zu addieren, welche im Ticker am unteren Bildrand vorbeihuschten. Darauf folgte eine große Aha-Pause. Beim schnellen Überschlag der Zahlen war mir nur eines klar: Regierungsfähige Mehrheit gibt es keine, aber ohne eine der beiden Möchtegern-Kanzler geht es auch nicht. Und wenn keine große Koalition gebildet wird, muss ein Dreiergestirn her. Würde das deutsche Wahlergebnis nach den Regeln des Spiels der Könige bewertet, wäre die zukünftige Mandatsverteilung im Bundestag wohl ein klassisches Remis.
Wieder einmal stellen sich die zwei elementaren Fragen, die jeder von uns im Rahmen einer Beziehungskrise schon schmerzhaft vor Augen hatte: Wie ist es denn soweit gekommen und wie geht es jetzt weiter?
Nun – wie es weitergeht, weiß keiner. Aber wie es gekommen ist, das kann ich mit einiger Schadenfreude darlegen:
Der Wahlkampf wurde schlecht geführt. Man kämpfte mit Not gegen Elend: Die wirtschaftliche Not, welche Schröder im Nacken saß und ihn zur Auflösung des Bundestages trieb, wurde von Merkel mit zukünftigem Steuerelend (Ankündigung einer Mehrwertsteuererhöhung) konterkariert. Wahrscheinlich wollte sie damit alles andere als lustig wirken – und auch die Bürger haben das nicht für einen Scherz gehalten. Was sind denn das für Wahlversprechen? So in der Art: „Ich weiß, dass es unter Schröder den Bach runter gegangen ist, aber mit mir an der Spitze dürft ihr noch tiefer in die Tasche greifen!“ Boa ey (um es deutsch zu sagen) – das sind gewichtige Argumente, um selbst als Wessi zur PDS auszuweichen!
Und Merkel hatte noch einen Klotz am Bein: Den deutschen Bush in Bayern, das Stoiberlein! Der hat es mit seinen markigen Worten über die „faulen und dummen“ Ossis geschafft, sich in die politische Besenkammer zu argumentieren. Zum ersten Mal seit Erfindung der Weißwurscht fiel Schwarz unter 50 Prozent in Bayern! Ozapft is!
Da ist es schon ein Achtungserfolg, wenn auch ein jämmerlicher, dass Schröder aus einem Formtief von so etwa 20 Prozent zu Beginn des Wahlkampfes auf seine 34 Prozent beim endgültigen Wahlergebnis kletterte. Aber daraus den unumschränkten Kanzleranspruch abzuleiten, ist wohl doch etwas vermessen.
Wie haben sich denn die Kleinen geschlagen? Die FDP war sehr zurückhaltend mit Sachthemen. Und Westerwelle hat mich alles andere als begeistert. Mit herrischer Stimme befahl er seinen potenziellen Wählern, ihn als einzige Chance für Deutschland zu betrachten. Dass er dabei nicht nur sein zerfurchtes Gesicht zu einer Herrschergrimasse verzog, sondern auch noch mit der Faust auf das Rednerpult schlug, machte das ganze nicht gerade überzeugender. Jedenfalls hat er diesmal sein übersteigertes Ego von vor drei Jahren (man erinnere sich: „20 Prozent“) deutlich besser im Zaum gehalten. Wie auch immer – knapp 10 Prozent sind für ihn auch mehr als genug!
Und die Grünen? Ich erinnere mich noch an Zeiten, als Joschka Fischer barrikadenstürmend gegen das versteinerte Establishment anlief. Mittlerweile trinkt er seinen Tee nicht mehr im Sympathisantenkreis der RAF, sondern als Außenminister mit diversen auswärtigen Regierungschefs. Als Juniorpartner von Schröder hat er sich wirklich brav hochgearbeitet. Allerdings hat er seine politische Basis verloren – was sich nicht zuletzt im mageren Wahlergebnis ausgewirkt hat. Vielleicht liegt das auch in der Farbenlehre begründet: Rot und Grün sind nun einmal Komplementärfarben, die sich gegenseitig neutralisieren.
Einzig die PDS hat an einem Strang gezogen. Aber gerade die wissen, wie es gemacht wird: Über 40 Jahre lang haben die Schergen der SED die Bürger der DDR getäuscht, betrogen und unterdrückt. Die wissen halt, wie man das Fußvolk bei Laune hält, auch wenn die Kacke am Dampfen ist. Und Stoiber hat denen im Osten die Wähler geradezu in die Fänge getrieben! Da war auch Merkels ostdeutsche Herkunft ein zu schwacher Rettungsanker.
Na ja – ich bin kein Politologe und will auch gar keiner sein. Aber die deutsche Politlandschaft scheint an der gleichen Flaute zu leiden, wie die Wirtschaft. Nicht nur ich, sondern die gesamte EU sieht mit bangem Blick nach Berlin. Wie wird es im Geburtsland des europäischen Wirtschaftswunders weitergehen?
Wer mit Hunden schläft, wird mit Flöhen aufwachen... Zum Glück schlummert in meinem Bett eine Katze!